Südtirol ist von der Sonne verwöhnt. Die Obstgenossenschaft MIVOR hat daher in Latsch im Vinschgau acht Dachflächen von Apfelhallen erneuert, um sie für die Installation von Solarpaneelen zu ertüchtigen. Knackig und frisch bleiben die Äpfel jetzt energieeffizient unter einer neuen Nagelplattenbinder-Konstruktion mit wärmegedämmter Blecheindeckung.

Äpfel soweit das Auge reicht, so kennen wir die Region Südtirol. Über 6.000 Bäuerinnen und Bauern bauen das beliebte Obst hier an. Damit es jeden Tag im Jahr knackig-frisch auf den Tisch kommt, müssen die Äpfel sorgfältig gelagert werden. Zum Beispiel im Hochregallager der Obstgenossenschaft MIVOR.

Mit seiner bunten Fassade soll das Gebäude an das erinnern, was in ihm steckt: Äpfel in den unterschiedlichsten Sorten. Im Industriegebiet Latsch ist der mehrgeschossige Bau der Hingucker inmitten eines Ensembles von Gewerbebauten und Lagerhallen. Acht von insgesamt neun Hallen mit Kühlzellen wurden jetzt von Holzbau Lechner, einem Traditionsunternehmen aus dem nahen Prad am Stilfser Joch, mit neuen Tragwerkskonstruktionen in Nagelplattenbinderbauweise versehen. Sie ersetzen die alten Tragwerke, die ebenfalls mit Nagelplatten bindern konstruiert wurden. Der Grund: Die Dächer sollten energetisch saniert und so ausgelegt wer den, dass sie eine Photovoltaik-Anlage tragen.

„Die Umsetzung in Nagelplattenbinderbauweise war alternativlos und in jeder Beziehung – statisch so wie hinsichtlich der Bauzeit, dem Materialverbrauch und der Kosten – die beste Lösung“, sagt Valentin Lechner. Als Geometer, wie ein Vermessungs ingenieur in Südtirol heißt, war er seitens Holzbau Lechner für das Projekt verantwortlich.

3D-Ansicht der Nagelplattenbinder-Konstruktion der Apfelhalle in Latsch/Vinschgau. Bemessen wurde das Tragwerk mit der Software PAMIR von MiTek.

Gelungene Premiere

Es war das erste Mal, dass die Südtiroler Spezialisten für Zimmerei-Holzbau ein so gigantisches Nagelplattenbinder-Projekt realisierten. Als erfahrenen und soliden Partner mit ausgewiesener Kompetenz im Bauen mit Nagelplattenbindern holte sich Holzbau Lechner bereits in einer frühen Phase Jura-Holzbau aus dem oberpfälzischen Riedenburg ins Boot.

Der Plan ging auf. Als Team überzeugten die beiden Unternehmen bei der Wettbe werbsausschreibung und gewannen den Auftrag. „Auch für uns war das eine Premiere: zum ersten Mal haben wir unsere Binder nach Südtirol geliefert“, freut sich Reinhard Lorenz, Bauingenieur in der Abteilung Nagelplattenbinder der Jura-Holzbau GmbH.

Schon aufgrund der Größe war dieses Projekt besonders interessant: 485 Hauptbinder, 86 Obergurtverbände und 104 Vertikalverbände wurden in den insgesamt acht Hallen in Latsch verbaut. Die notwendigen statischen Berechnungen machte Jura-Holzbau mit der Bemessungssoftware PAMIR von MiTek Industries, dem Lieferanten der verwendeten Nagelplatten.

Die Bemessungssoftware PAMIR von MiTek Industries überzeugt u. a. mit Klarheit in der Bedienoberfläche, einer 3D Bearbeitungsansicht, der schnellen, individuellen, automatische Ausgabe aller Unterlagen sowie der prüffähigen Tragwerksstatik.

Neues Tragwerk über alter Zwischendecke

Fünf Hallen, jede 17 Meter breit und 64 Meter lang, werden nun stützenfrei von Dachkonstruktionen mit einer Dachneigung von nur 10° überspannt. Sie bieten Schutz für die Kühlzellen unter der alten Zwischendecke mit Brandschutzschicht „Im Vorfeld wurde unter Berücksichtigung aller Faktoren ermittelt, welche Dachneigung die höchste Leistung der geplanten Photovoltaik-Anlage verspricht“, erklärt Lechner. Die Zugangsbereiche zwischen den einzelnen Hallen und ein Dachüberstand wurden als Pultdächer mit einer Spannweite von 5 bis 7 Metern ausgeführt. Sie verbinden die einzelnen Tragwerks konstruktionen zu einer geschlossenen Dachfläche.

Gut erkennbar in der Bildschirmdarstellung der Bemessungssoftware PAMIR: Die Zugangsbereiche zwischen den Hallen werden von Pultdächern überspannt, die Hallen selbst von Flachgiebeldächern.

„Die gesamte Konstruktion mit einem starken Un terzug wurde so ausgelegt, dass die neuen Nagel plattenbinder die alten Unterzüge der Zwischendecke oben halten“, erklärt Valentin Lechner. Die Abstände zwischen den einzelnen Bindern betragen im Nor malbereich ungefähr einen Meter. Da oberhalb der Zwischendecke teilweise jedoch dicke Rohrleitun gen verlaufen, musste der Binderabstand in diesen Bereichen auf drei bzw. vier Meter erhöht werden.

„Um die erhöhte Last-Einzugsbreite aufzufangen, haben wir dort Pfetten und zwei bzw. drei Binder direkt nebeneinander vorgesehen“, so Reinhard Lorenz. Er hat bei Jura-Holzbau die Pläne, die Valentin Lechner in einem Abbundprogramm erstellt hat, in PAMIR importiert, die Binder konstru iert und die Statik berechnet. „Eine meiner Aufgaben dabei ist immer, die MiTek-Nagelplatten an allen Stellen so zu wählen, dass sie statisch sicher ausrei chend, aber dennoch möglichst wirtschaftlich sind.“ Auch dabei hilft PAMIR: Unter Berücksichtigung aller unterschiedlichen Lastfälle werden die Anschlüsse mit Nagelplatten für jeden Knoten bemessen.

Die Nagelplatte M16H, mit einer Dicke von 1,5 mm und einer Nagellänge von 20,8 mm, gehört zu den stärksten im MiTek-Sortiment. Sie wurde bei der Tragwerkskonstruktion vielfach an den Fachwerkknoten der Nagelplattenbinder eingesetzt.

Montage in Etappen

Schritt für Schritt wurden die alten Nagelplattenbinder-Dach konstruktionen abgetragen und durch das neue Tragwerk ersetzt. Jura-Holzbau sorgte als Lieferant der Nagelplattenbinder dafür, dass die Nagelplattenbinder in jeder Auflagersituation passen.

Lorenz: „Ein Hauptaugenmerk lag darauf, nur so viele verschiedene Bindertypen einzusetzen, wie unbedingt notwendig. Bei der Binderkonfiguration haben wir daher darauf geachtet, dass man unterschiedlichen Auflager situationen in konstruktiver und statischer Hinsicht gerecht wird, z. B. auch bei einem schräg ver laufenden Auflager.“

Kanthölzer (8 x 8 cm) schaffen die Verbindung zwischen neuer frei gespannter Nagelplattenbinder-Konstruktion und alter Zwischendecke.

Zügig zum Ziel

Vom ersten Termin von Holzbau Lechner auf der Baustelle im September 2022 bis zum Abschluss des Projekts im Juni 2023 – einen Monat früher als geplant – verging nicht mal ein Jahr. Anfang Februar 2022 erreichte der erste Lkw mit Nagelplattenbindern die Baustelle in Latsch. Zum neunköpfigen Montageteam zählten ein spezialisierter Facharbeiter als Vorarbeiter und weitere vier Zimmerergesellen, die erstmals mit Nagelplattenbindern gearbeitet haben.

„Unser Team hat das Projekt als positive Herausforderung begriffen und sich gewissenhaft vorbereitet, das hat sich ausgezahlt“, so Valentin Lechner. Ausgiebig nutzte das Montageteam die Unterlagen für die Arbeitsvorbereitung, die ihnen Jura-Holzbau im Vorfeld bereits zuschickte.

„Wir beobachten immer wieder, dass es selbst bei einer so gigantisch großen Baustelle ausreicht, wenn einer im Zimmererteam Erfahrung mit Nagelplatten hat und weiß, an welchen Stellen man aufpassen muss“, berichtet Reinhard Lorenz. Für ihn ist klar, dass das Bauen mit Nagelplattenbindern auch für Zimmerleute neue Chancen eröffnet, gerade auch beim Bau von Hallen mit freitragenden Dachkonst ruktionen. Zum Abschluss des Projekts zeigten sich alle Seiten zufrieden. Holzbau Lechner und Jura-Holzbau haben – so sagen beide – super zusammengearbeitet.

Das Projekt wurde sogar etwas früher abgeschlossen als erwartet, so dass der Dachdecker pünktlich mit seiner Arbeit beginnen und Sandwichpaneele als gedämmte Blecheindeckung montieren konnte. Inzwischen ist die energetische Sanierung der MIVOR Apfelhalle in Latsch abgeschlossen. Und das zahlt sich für die Obstgenossenschaft mit Sicherheit aus.

Anfrage MiTek Ingenieurbüro

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